Konkurrenz für Autoscout 24 und Mobile.de

Für Robert Lasek besteht eigentlich kein Grund zur Bescheidenheit. Er ist Geschäftsführer der B2B-Gebrauchtwagenplattform Auto1.com, die Händlern unter anderem als Zukaufquelle dient. Das Unternehmen ist Teil der 2012 gegründeten Auto-1-Group, zu der auch die Ankaufplattform „Wir kaufen dein Auto“ (WKDA) gehört. Binnen weniger Jahre hat sich die Gruppe zu einem der größten Gebrauchtwagenhändler Europas entwickelt. Sie ist eines der wenigen deutschen „Einhörner“ – ein Start-up, das mehr wert ist als eine Milliarde Dollar.

Erfolgsgeschichten wie diese sind keine Selbstläufer und nicht zwingend reproduzierbar. Das weiß auch Lasek. Deswegen hält er sich öffentlich mit Prognosen dazu zurück, welche Chancen am Markt das neueste Angebot der Auto-1-Gruppe hat.

Trotzdem staunte so mancher in der Branche nicht schlecht, als das Unternehmen – in der Öffentlichkeit vor allem über WKDA bekannt – Mitte Februar eine grundlegende Neuerung bekannt gab: WKDA ist künftig nicht mehr nur eine Plattform für die Inzahlungnahme, sondern zusätzlich ein Marktplatz, über den Händler Autos anbieten und Verbraucher Fahrzeuge finden können.

Plötzlich mehr Wettbewerb

Auf einmal gibt es also einen weiteren Wettbewerber für die marktdominierenden klassischen Gebrauchtwagenbörsen Autoscout 24 und Mobile.de. Und es handelt sich um einen Player, den die Platzhirsche ernst nehmen. So heißt es beispielsweise bei Mobile zwar, der Schritt von WKDA sei „keine Überraschung“ und man selbst „gut aufgestellt“. Man sehe sich jedoch „genau an“, was die „Kollegen“ auf die Beine stellten. Aber wie gut stehen die Chancen für WKDA tatsächlich, zur dritten großen Gebrauchtwagenbörse zu werden? Wer kann das überhaupt schaffen?

Fest steht: Der Markt ist in den vergangenen beiden Jahren nach langem Stillstand massiv in Bewegung geraten. Gleich eine ganze Reihe von Plattformen wurde im Kerngeschäft von Autoscout 24 und Mobile aktiv: Car Gurus, Heycar, Carmato, Deine Autobörse oder Romoto – und jetzt WKDA.

Anbieterübersicht „Alternative Online-Gebrauchtwagenmarktplätze“ (Mai 2019)*

Name Markteintritt in D Besonderheiten/USPs Preismodell Zahl der Händleraccounts Zahl der inserierten Fahrzeuge Zahl der Visits im Monat Zugehörigkeit des Marktplatzes Webadresse Kontakt
Car Gurus 2.017 kostenfreies Inserieren mit Basisfunktionalitäten; Einstufung von Suchergebnissen mithilfe von Marktwert und Händlerbewertungen Freemium (Erweiterung auf kostenpflichtige Pakete mit Zusatzfunktionen möglich) k. A. k. A. k. A. unabhängig, börsennotiert (Nasdaq) www.cargurus.de E-Mail: hstollberg@cargurus.com (Henner Stollberg), 069/56608586
Carmato 2.018 Transaktionsplattform (vollwertiger digitaler Verkauf, Zukauf, Inzahlungnahme) transaktionsbasiert 240 40 120.000 unabhängig www.carmato.de E-Mail: info@carmato.de, Tel. 0228/30401820 (Marc Herschbach)
Deine Autobörse 2.018 Inzahlungnahmetool, keine Fremdwerbung, interne B2B-Händlerauktion Inserate-Modell mit Paketen in drei Preistufen 1.000 110 155.000 GGG-Garantie www.deineautobörse.de E-Mail: info@deineautoboerse.de; Tel.: 05102/939940
Heycar 2.017 nur Autos mit Garantie und umfassender Prüfung, erfolgsbasiertes Preismodell, keine Fremdwerbung, keine Privatverkäufer transaktionsbasiert (bei Erfolg von Inseraten) über 1.000 Händlergruppen 370 2 Mio. Volkswagen Financial Services, Daimler Financial Services www.heycar.de E-Mail: vertrieb@hey.car
Romoto 2.018 kostenfreie Inserate über Basiskonto bei Webmobil 24 Freemium (optionale Erweiterung über kostenpflichtige Pakete bei Webmobil 24) 12.000 600 35.000 Ico-International www.romoto.de E-Mail: info@romoto.de, Tel.: 069/5077570
Wirkaufendeinauto.de Fahrzeugmarkt 2.019 Bezahlung pro Lead, keine Listinggebühren, keine Fremdwerbung leadbasierte Abrechnung (nach kostenloser Testphase) k. A. 8 k. A. Auto 1 Group www.wirkaufendeinauto.de/auto-kaufen (Anmeldung: www.auto1.com/de/marketplace ) E-Mail: service-fahrzeugmarkt@auto1.com, Tel. 030/2016386300

Jede der Börsen versucht naturgemäß, mit eigenen Vorteilen bei Händlern zu punkten. Am Ende müssen alle aber die gleichen Herausforderungen bewältigen, sagt Jörg von Steinaecker. Als Berater für den Automobilhandel kennt er den Markt gut. „Die neuen Player stehen vor einer Art Henne-Ei-Problem: Hat man auf seiner Plattform keine Händler mit Fahrzeugen, erreicht man auch kein nennenswertes Publikum. Umgekehrt sind für Händler Marktplätze nur interessant, wenn diese sie mit möglichst vielen Nutzern in Kontakt bringen.“

Deswegen sei fraglich, wo sich jene neuen Börsen im Wettrennen untereinander platzieren, die keine bekannte Marke wie WKDA im Hintergrund haben. Das Berliner Start-up könne zudem auf den Vorteil bauen, schon direkten Zugang zu Händlern zu haben. Durch Auto1.com bestünden aktive Kundenbeziehungen. Trotzdem ist WKDA als Marke bislang nur für die Inzahlungnahme bekannt.

Ähnlich bewertet Stephan Jackowski vom Beratungsunternehmen BBE Automotive die Situation. „Zwar hat sich das Spektrum der Gebrauchtwagenmarktplätze deutlich diversifiziert“, sagt Jackowski. „Im Kern besteht aber noch immer die Marktmacht des alten Duopols. Es braucht jetzt massive Marketingpower, um neue Angebote zu etablieren. Da ist klar, dass die großen Betreiber mit entsprechendem finanziellen Hintergrund bessere Karten haben.“ Gerade wenn sie Kunden Zusatzfunktionen wie Log-in-Bereiche oder Inzahlungnahmerechner böten, die den Fahrzeugkauf erleichterten.

Für die nächsten Jahre sei zu erwarten, dass sich der Markt wieder bereinige. Aktuell stünden dem Handel rund 20 Gebrauchtwagenmarktplätze zur Verfügung. „Es ist denkbar, dass der eine oder andere Anbieter andere Plattformen übernimmt.“

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) rät Händlern, neue Börsen zu testen – auch wenn Mobile und Autoscout 24 nach wie vor den Markt dominierten: „Jedes Unternehmen sollte sich die einzelnen Anbieter ansehen und muss dann selbst herausfinden, wer aus seiner Sicht die besten Leistungen bietet“, sagt Geschäftsführerin Antje Woltermann.

Dem Vorschlag kommt entgegen, dass Händler je nach Marktplatz zum Teil kostenlos oder gegen eine vergleichsweise geringe Gebühr inserieren können – oder nur bei Verkaufserfolgen zahlen. Der Aufwand für Händler besteht zunächst also nur darin, Fahrzeuge per Datenschnittstelle anzubieten.

WKDA ist ein Beispiel für einen Marktplatz, der sich über ein neues Abrechnungsmodell etablieren will. Händler zahlen dort nur, wenn ein Kunde ein Fahrzeug bei ihnen anfragt. Bewusst ist vielen im Handel auch die Markenbekanntheit des Stammangebots von WKDA. Deswegen finden sie die Börse interessant.

Entsprechend nutzt Auto1.com-Geschäftsführer Lasek dieses Pfund und wuchert damit: „Wir verzeichnen Monat für Monat Millionen von Besuchern durch unser Kerngeschäft.“ Mit Aussagen dazu, wo sich der Fahrzeugmarkt neben Mobile und Autoscout platzieren könnte, hält er sich aber zurück. „Aktuell sind wir noch in der Startphase. Jetzt geht es uns darum, die Nutzung der Plattform für Händler und Endkunden attraktiv zu gestalten.“ So sollen beispielsweise immer mehr Schnittstellen geschaffen werden, über die Händler Fahrzeuge einspielen können.

Anders als bei WKDA zahlen Händler bei Heycar, der Tochter der VW-Finanzsparte, nicht pro Lead, sondern für jeden Verkauf, der über die Plattform zustande kommt. Heycar hat auch nicht das Ziel, den gesamten Gebrauchtwagenmarkt abzubilden, sondern nur einen bestimmten Teil – nämlich hochwertige, eher jüngere Fahrzeuge. Kein Auto darf älter als acht Jahre sein und mehr als 150.000 Kilometer auf dem Zähler haben. Garantien sind Pflicht.

„Am Ende geht es um vergleichsweise hochwertige Fahrzeuge, eine hochwertige Präsentation und darum, dem Nutzer Orientierung zu geben“, sagt Geschäftsführer Markus Kröger. „Hier sehen wir einen Bedarf aufseiten der Kunden. Kein anderer Anbieter bedient diese Ansprüche. An dieser Stelle wollen wir den Markt aufbohren.“

Heycar ging im Herbst 2017 an den Start. Da der VW-Konzern im Hintergrund steht, genießt die Plattform Aufmerksamkeit. Ein halbes Jahr zuvor startete der Ableger der US-Plattform Car Gurus. Im Handel erregte das Angebot Aufmerksamkeit, weil Händler Fahrzeuge dort – anders als bei den Platzhirschen – kostenlos inserieren können. Geld verlangt das Unternehmen, wenn Händler einen erweiterten Funktionsumfang nutzen – ein sogenanntes Freemium-Modell. Weiterhin präsentiert die Plattform in ihren Suchergebnislisten Fahrzeuge nach einem Sortierprinzip, das Händler- und Preisbewertungen berücksichtigt.

Nach zwei Jahren am Markt zieht das Unternehmen eine eher zurückhaltende Bilanz: „Wir befinden uns noch in der Anfangsphase, was unsere Pläne für Deutschland betrifft“, sagt Diego Sanson, bei Car Gurus verantwortlich für das internationale Geschäft. „Aber wir denken, dass wir als Tech-Unternehmen und Aufsteiger positioniert sind, der Verbrauchern und Händlern eine interessante Alternative zum Autokauf und -verkauf bietet.“

2018 begab sich der Garantieversicherer GGG mit „Deine Autobörse“ ins Rennen. Ein Stück weit muss das Angebot wohl als Marketinginstrument gewertet werden, mit dem das Unternehmen Händler auf sein Kerngeschäft aufmerksam machen will. Mittlerweile hat die Plattform im Handel Fuß gefasst und Kooperationen mit Händlerverbänden vereinbart. Ein Coup war, dass der Marktplatz kürzlich eine Zusammenarbeit mit dem VW- und Audi-Partnerverband (VAPV) besiegelte, der einst Heycar mit angestoßen hatte.

Kein Schnickschnack

Deine Autobörse will Händler durch Einfachheit überzeugen. Es gibt drei Tarifpakete mit einem unterschiedlichen Volumen an Inseraten. Das war’s. Keine kostenpflichtigen Topinserate, keine anderen Zusatzpakete. Der Verantwortliche für Deine Autobörse, Patrick Kordes, sieht sich durch Kooperationen wie mit dem VAPV gestärkt. „Wir wollen in drei Jahren zu den Top Drei der Onlinebörsen gehören“, sagt Kordes. Er schränkt aber auch ein: „Natürlich sehen wir uns immer nur als Alternative zu den großen Börsen.“

Den Marktplatz Romoto unter dem Dach des IT-Dienstleisters Ico-International gibt es eigentlich schon seit Jahren. Seit 2018 positioniert das Unternehmen ihn allerdings neu. Ico-International ist unter anderem bekannt für seine Tools unter dem Markennamen Webmobil 24, die Händler im Onlinevertrieb unterstützen. Bereits 2012 übernahm das Unternehmen Romoto, damals ein rumänischer Fahrzeugmarkt. Jetzt soll das Angebot in Deutschland bekannt gemacht werden. Das Besondere für Händler: Die Plattform ist dauerhaft kostenfrei. Künftig soll sie zum internationalen Marktplatz ausgebaut werden.

Über Romoto will Ico-International Händler auf seine Produktpalette aufmerksam machen. „Wir hoffen, dass wir dem Händler vor Augen führen können, dass wir ihm eine sinnvolle Komplettlösung bieten“, sagt Geschäftsführer Volker Zweigler.

Am Ende liefern alle Börsen Händlern eines: Fahrzeuganfragen. Der neue Anbieter Carmato schließt hier eine Lücke. „Anders als die anderen Börsen sind wir keine Präsentations-, sondern eine Transaktionsplattform“, sagt Geschäftsführer Marc Herschbach. „Wir liefern dem Handel keine Leads, sondern verbindliche Kaufgebote für Fahrzeuge.“

Carmato will, dass sich Händler am Ende nur mit der Kommunikation beschäftigen müssen, mit der sie sich auch beschäftigen wollen. Sie können auf der Plattform deswegen vorgeben, welche Spanne von Preisangeboten der Kaufinteressenten sie akzeptieren. Carmato teilt dem Kunden dann automatisch mit, wenn er sein Angebot nachbessern muss, weil es nicht ausreichend ist; natürlich gibt es auch den Sofort-Kaufen-Knopf.

Im Sommer geht das Start-up in eine zweite Finanzierungsrunde und will einen siebenstelligen Euro-Betrag einsammeln. Das Geld soll unter anderem genutzt werden, um die Marke bekannter zu machen. „Wir richten den Fokus jetzt auf die Marktdurchdringung“, sagt Herschbach. Zwar habe er „großen Respekt“ vor den Wettbewerbern. Er sieht aber auch gute Chancen, eben weil Carmato das bietet, was andere Börsen bisher nicht ermöglichen: direkte Transaktionen. „Wir kümmern uns um die Amazonisierung des Gebrauchtwagenhandels“, sagt Herschbach selbstbewusst.

Quelle:https://www.kfz-betrieb.vogel.de/onlinemarktplaetze-das-wettrennen-der-neuen-boersen-a-833237/